CDU Kreisverband Oder-Spree

„Ich würde auch mit der AfD Gespräche nicht ausschließen“

Ingo Senftleben im Gespräch mit der Welt

 WELT: Sie haben auf Landesebene eine Koalition mit der Linken oder der AfD nicht mehr explizit ausgeschlossen – bislang ein Tabu für die Union. Wie groß war der Ärger Ihrer Parteifreunde im Bund über Ihren Schritt?

Ingo Senftleben: Ich kenne keinen Ärger. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und ich haben am Mittwoch telefoniert. Wir haben beide deutlich festgestellt, dass das, was ich da gesagt habe, zuallererst eine Brandenburger Frage ist – nämlich die Frage, ob wir in Brandenburg einen echten Politikwechsel erreichen wollen. Die CDU hat erstmals die Chance, stärkste Kraft im Land zu werden. Angesichts der gesamten politischen Lage sollten wir schon jetzt eine Debatte darüber führen, was nach der Wahl eintreten kann.
 WELT: Das heißt, Sie nehmen Ihren Vorstoß, nach der Wahl sowohl mit der Linken als auch mit der AfD zu sprechen, explizit nicht zurück?

Senftleben: Nein. Wenn wir nach der Landtagswahl die Gelegenheit haben, werde ich mit allen Parteien Gespräche führen. Ich bin in der DDR aufgewachsen, ich habe erlebt, wie meine Familie durch den Mauerfall wieder zusammengekommen ist. Ich war auch lange Zeit Bürgermeister meiner Heimatstadt Ortrand – weiß also, was die Menschen bewegt. Aus diesem Lebensweg heraus sage ich: Wir brauchen in der politischen Landschaft eine neue Debattenkultur, und die möchte ich in Brandenburg etablieren. Das bedeutet für mich, dass man bei allen Widersprüchen im Gespräch bleiben muss. Das machen die Bürger draußen ja auch jeden Tag – und wir sollten in der Politik nicht so tun, als ob das bei uns anders sein kann.

WELT: Unionsfraktionschef Volker Kauder sagt, mit der Linken könne man nicht kooperieren, da diese „unser Land aus der westlichen Wertegemeinschaft führen will“. Sind Ihre Parteifreunde im Bund zu dogmatisch?

Senftleben: Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Linken im Landtag und den Linken im Bundestag. Ich trage für die Brandenburger Union Verantwortung. In Brandenburg hat kein Mensch dafür Verständnis, wenn wir immer so tun, als ob die guten Ideen nur aus dem eigenen Hause kommen und die schlechten aus den Reihen der anderen. Es ist ein Teil der Aufgabe, die uns die Menschen gestellt haben, sich in der politischen Debatte grundsätzlich mehr an den Inhalten auszurichten und nicht so sehr an den Überschriften.

WELT: Vertritt die Linke in Brandenburg gemäßigtere Inhalte als im Westen, die eine Zusammenarbeit vereinfachen würden?

Senftleben: Ich glaube, dass die Linke im Osten anders aufgestellt ist als in Westdeutschland. Und in Brandenburg ist das nochmals besonders. Die Linke hat hier eine Doppelspitze aus zwei Frauen. Eine der Vorsitzenden ist nicht in Ostdeutschland aufgewachsen. Die andere war wie ich 14 oder 15, als die Mauer gefallen ist. Ich glaube schon, dass das ein Stück weit die Partei hier prägt. Ich stehe persönlich für eine pragmatische Politik. Am Ende steht immer die Frage: Mit welchem Partner kann man die eigenen Inhalte umsetzen? Natürlich strebe ich dabei keine Regierung mit links oder rechts außen an. Ich weiß aber heute eben auch noch nicht, wie die Menschen 2019 wählen werden.

WELT: Angenommen, Sie werden stärkste Kraft: Bei welchen Themen könnte es Überschneidungen geben zwischen CDU und der Linken?

Senftleben: Für mich ist eine entscheidende Frage, wie eine Gesellschaft mit ihren Kindern umgeht. Die Zahl der Kinder, die in Brandenburg in Armut aufwachsen, geht nicht zurück. Das ist ein Thema, das die Politik nicht ruhen lassen darf – und da kann man auch zwischen CDU und Linker eine Abstimmung finden. Gleichzeitig weiß ich auch, dass es in vielen anderen Fragen große Unterschiede gibt, die es nicht einfach machen: die innere Sicherheit zum Beispiel, die Flüchtlingspolitik, die Aufarbeitung der Geschichte vor 89. Aber wenn die Wähler die Politik mit einem Wahlergebnis konfrontieren, dann kann man sich als Partei nicht hinstellen und sagen, das nehmen wir nicht an.

WELT: Im Gegensatz zur Linken verfolgt die AfD in Brandenburg einen radikalen Kurs. Ist eine Regierung mit der AfD dennoch denkbar?

Senftleben: Wir werden in keine Koalition mit Parteien gehen, die ihre Erfolge auf dem Rücken von Schwachen generieren. AfD-Landeschef Kalbitz hat zudem eine klare Nähe zu rechtsextremen Strukturen. Deshalb gibt es keine Gemeinsamkeiten zwischen ihm und mir. Für mich sind die christlichen Werte nicht nur etwas für Sonntagsreden, sondern was wir auch in der Politik leben. Und ein Herr Kalbitz, der jeden Tag mit diversen Äußerungen gegen diese christlichen Grundwerte verstößt, kann für eine christliche Partei kein Partner sein. Unabhängig davon würde ich aber auch mit der AfD Gespräche nicht ausschließen. Doch mit Herrn Kalbitz wären das keine Gespräche über eine Regierungsbildung.

WELT: Die brandenburgische Stadt Cottbus sorgt wieder für Schlagzeilen, weil die Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Alteingesessenen nicht abnehmen. Kann es in der Flüchtlingspolitik gemeinsame Lösungen mit der Linken geben? Oder doch eher mit der AfD?

Senftleben: Ich kenne die Situation in Cottbus gut, weil ich selbst oft dort bin. Ja, es gibt eine Häufung von Vorfällen, aber es ist nicht so, dass das tägliche Leben in Cottbus gefährlich wäre. Es zeigt sich einfach, dass die Aufgabe der Integration eine ist, die vielleicht über Generationen andauern wird. Deswegen gilt, dass wir als Land klare Integrationsangebote machen müssen – aber auch Forderungen an die Geflüchteten stellen müssen.
Wir haben deshalb als CDU ein eigenes brandenburgisches Integrationsgesetz vorgeschlagen. Das hat die Regierungskoalition abgelehnt. Ich kann nur für uns sagen: Ich halte die Aufnahme von geflüchteten Menschen für eine Kernaufgabe, die parteiübergreifend gelöst werden sollte, weil sie das Zusammenleben in unserer Gesellschaft direkt betrifft. Populistische Vorschläge, die spalten, sind nicht zielführend – egal ob sie aus dem rechten Lager kommen oder dem linken.